Der Schweiz fehlt es an Spenderorganen – die Warteliste für Transplantationen ist lange. Darum möchten Bund und Parlament eine Änderung im Transplantationsgesetz vornehmen. Wie die aktuelle Gesetzeslage aussieht, was sich bei der Annahme des Transplantationsgesetzes ändern würde und wie die Organspende im Ausland geregelt ist:
Das Transplantationsgesetz regelt die rechtlichen Grundlagen der Organ- und Gewebespenden. Jede Person ab 16 Jahren kann eine Erklärung zur Spende abgeben. Ein Höchstalter gibt es dabei nicht. Bei Personen unter 16 Jahren liegt die Entscheidung bei den Eltern oder den Erziehungsberechtigten.
In der Schweiz dürfen Organe, Gewebe oder Zellen nur dann entnommen werden, wenn die verstorbene Person mittels eines Spenderausweises ausdrücklich einer Spende zugestimmt hat. Man sprich dabei von der engen Zustimmungslösung. Fehlt eine solche Zustimmung, können die Angehörigen im Sinne des Verstorbenen entscheiden – dies nennt man die erweiterte Zustimmungslösung.
Das Problem bei der erweiterten Zustimmungslösung: In mehr als der Hälfte der Fälle kennen die Angehörigen laut Umfragen von Swisstransplant den Wunsch des Verstorbenen nicht, was zu einer hohen Ablehnungsrate führt. Und dies wiederum führt zu langen Wartelisten für Patientinnen und Patienten, die für eine Transplantation vorgesehen sind.
Gerade weil diese Ablehnungsrate hoch ist, schlagen Bund und Kanton einen Systemwechsel vor: Wer im Todesfall keine Organe spenden möchte, muss dies künftig explizit festhalten. Liegt kein solches Dokument vor, wird dies grundsätzlich gemäss Initiativtext als Zustimmung für eine Spende gewertet (Widerspruchslösung).
Dies ist jedoch kein Freipass für eine Transplantation. Am Ende liegt die Entscheidung (genauso wie beim aktuellen Gesetz) bei den Angehörigen.
Mittels Gesprächen werden sie bei einem Todesfall in den Entscheidungsprozess einbezogen (erweiterte Widerspruchslösung). Wenn ihnen der letzte Wille der Person bekannt ist, können sie eine Organentnahme ablehnen. Dasselbe gilt auch, wenn die Angehörigen bloss vermuten, dass eine Person gegen eine Spende ist. Sollten keine Angehörigen auffindbar sein, dürfen ebenfalls keine Organe entnommen werden.
Die vorgeschlagene Änderung ist ein indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten», welcher sich zahlreiche Ärztinnen und Ärzte angeschlossen haben.
Der Unterschied zur Vorlage «Organspende fördern – Leben retten», die im Mai 2019 von der Organisation Jeune Chambre Internationale eingereicht wurde, liegt darin, dass die Angehörigen im Todesfall mitentscheiden dürfen. Eine Gesetzesänderung, welche das Mitspracherecht nicht berücksichtigt, erachtet der Bundesrat als ethisch nicht vertretbar.
Weil das Initiativkomitee mit dem Vorschlag von Bund und Parlament einverstanden war und seine Initiative bedingt zurückgezogen hat, stimmen wir nun über den Gegenentwurf ab.
Die Kehrtwende soll dazu führen, dass Patientinnen und Patienten weniger lange auf eine Transplantation warten müssen. Entscheidend dabei sei, dass die Organe von allen, die Spenden können und wollen, auch tatsächlich transplantiert werden.
Angehörige sollen im Todesfall mit dem Systemwechsel entlastet werden, da sie – gemäss den Befürwortern der Initiative – davon ausgehen können, dass eine Organspende gewollt sei. Sollte dies nicht der Fall sein, bleibt den Angehörigen trotzdem ein Vetorecht.
Ausserdem habe sich die Widerspruchslösung im Ausland bewährt. Die Spendenbereitschaft sei dort tendenziell höher als in der Schweiz (mehr dazu unter Punkt 8).
Trotz grossen Bemühungen des Bundesamtes für Gesundheit haben sich gemäss Anfrage von watson bislang nur rund 133'000 Personen – sprich rund 1,6 Prozent der Bevölkerung – im nationalen Organspenderegister eingetragen. Laut Umfragen von Swisstransplant sei die Spendenbereitschaft der Schweizerinnen und Schweizer aber wesentlich höher.
Neben der nationalen Stiftung für Organspende und Transplantation Swisstransplant haben sich auch die SP, die Grüne sowie die FDP dem Ja-Komitee angeschlossen.
Das überparteiliche Nein-Komitee ist der Meinung, dass die Gesetzesänderung mehr Probleme schaffe als löse. Die Gegnerinnen und Gegner sind davon überzeugt, dass die Widerspruchsregelung nicht zu mehr Spenden führe – stattdessen würde sie die Angehörigen mit der Entscheidung über eine Spende unter Druck setzen.
Die Gesetzesänderung würde ausserdem das Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit verletzen. Es könne nicht sein, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit nur dann gilt, wenn es eingefordert wird.
Das Komitee reichte am 21. Januar 2022 das Referendum gegen die Gesetzesänderung ein. Im März kamen die nötigen Unterschriften zusammen, weshalb nun das Volk nun am 15. Mai über die Änderung des Transplantationsgesetzes abstimmt.
Gegen das Transplantationsgesetz sprechen sich ausserdem die EVP, die SVP sowie verschiedene Kirchen aus.
Bis zu sieben menschliche Organe können in der Schweiz gespendet und transplantiert werden: Herz, Lunge, Leber, beide Nieren sowie die Bauchspeicheldrüse und der Dünndarm. Die Bauchspeicheldrüse kann als ganzes Organ, aber auch als Zellansammlung transplantiert werden. Weiter zählen Augenhornhaut, Haut, Herzklappen sowie Knochen, Knorpel, Sehen und Bänder zum transplantierbaren Gewebe.
Die Niere ist in der Schweiz das am häufigsten für eine Transplantation benötigte Organ – gefolgt von Leber, Herz, Bauchspeicheldrüse und Dünndarm. Bei den Geweben dominiert die Transplantation von Augenhornhaut.
Gemäss Anfrage von watson sei die grosse Mehrheit der Registrierten (80 Prozent) des Organspenderegisters von Swisstransplant bereit, Organe, Gewebe sowie Zellen zu spenden.
Über 1400 Personen stehen in der Schweiz auf der Warteliste für eine Transplantation. Die meisten Patientinnen und Patienten warten auf eine Nierentransplantation, eine kleine Anzahl wartet auf mehrere Transplantationen.
Grundsätzlich gilt: Das Spenderorgan muss gesund sein und funktionieren. Es besteht bei der Organspende keine Altersgrenze. Menschen mit aktiven Krebserkrankungen können meist keine Organe spenden, dies ist erst nach fünf tumorfreien Jahren möglich. Menschen mit HIV oder Hepatitis können ihre Organe an Personen spenden, die an HIV oder Hepatitis erkrankt sind. Organspenden sind auch bei Kindern möglich, dabei erhalten Kinder primär Organe von Kindern.
Organe sowie Gewebe oder Zellen dürfen nur dann entnommen werden, wenn der Tod festgestellt wurde. Beim Spender muss der gesamte Ausfall der Hirnfunktionen (Hirntod) eintreffen, damit die Organe gespendet werden können. Gleichzeitig wird das Herz-Kreislauf-System künstlich am Leben erhalten, damit die Organe mit Sauerstoff versorgt sind.
In der Debatte um die Erhöhung von Spenderzahlen wird häufig auf das spanische Transplantationsgesetz verwiesen, da Spanien zu den Ländern mit den meisten Organspenderinnen und -spender in Europa zählt.
In Spanien gilt die Widerspruchslösung. Ein Organspender muss schriftlich festhalten, wenn er gegen eine Entnahme ist. In der Praxis werden allerdings keine Entnahmen durchgeführt, wenn die Angehörigen eine Transplantation ablehnen.
Zudem dürfen in Spanien Organe bereits nach einem Herzstillstand entnommen werden. Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird das spanische Modell 2010 zur Erhöhung der Organspende empfohlen.
Spanien ist aber nicht das einzige Land, welches sich für eine Widerspruchslösung– so wie sie in der Schweiz eingeführt werden soll – entschieden hat. In der Mehrheit der westeuropäischen Länder gilt die Widerspruchslösung. So beispielsweise in Portugal, Österreich, Frankreich, Italien und Belgien.
Die Zustimmungslösung – die aktuelle Gesetzeslage der Schweiz – gilt in europäischen Ländern wie Deutschland, Schweden, Irland und Dänemark.
Der einzige Unterschied ist, dass nun diejenigen, die es nicht wollen, von sich aus aktiv werden müssen - und vorher wars umgekehrt.
Wenn man dafür ist, dann kann man sich eintragen als Spender.
Weshalb ist das so schwierig?
Weshalb sollen stattdessen Menschen, die sich, aus welchen Gründen auch immer, nicht dafür entscheiden, dies kundtun müssen?
Für jeden Eingriff müssen wir eine Einverständniserklärung ausfüllen- und ich hoffe sehr, dass dies auch zukünftig für Organentnahmen so bleiben wird.
Alles andere überschreitet für mich eine Grenze.
Wenn schon sollte darüber diskutiert werden, weshalb so wenige sich als Spender registrieren lassen.